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Die St. Pankratius-Kirche in Hamburg-Neuenfelde

Neuenfelde gehört zur sogenannten „Dritte Meile“ des Alten Landes. Die endgültige Eindeichung dieses von Überschwemmungen besonders gefährdeten Gebietes zwischen Este und Süderelbe gelang erst Ende des 15. Jahrhunderts. Eine natürliche Sanddüne bildet den höchsten Punkt weit und breit und ist seit der ersten Besiedlung durch sächsische Siedler Standort der Kirche. Diese Kirchendüne bot der Bevölkerung Zuflucht, sooft Sturmfluten das tief gelegene Marschland überschwemmten, zuletzt verheerend 1962. Aus dem mittelalterlichen Vorgängerbau der heutigen Kirche sind ein romanischer Taufstein und der Grabstein eines Priesters Johannes von 1503 erhalten.

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges setzte im Alten Land eine wirtschaftliche Blütezeit ein, die es der Gemeinde erlaubte, die inzwischen viel zu klein gewordene Kirche durch einen Neubau zu ersetzen. Propst Johann Hinrich von Finckh (im Amt seit 1675) erwies sich als geschickter Organisator des Kirchenneubaus. Ein im Gemeindearchiv erhaltenes Kirchenrechnungsbuch gibt genaue Auskunft über Planung und Bau der neuen Kirche.

Zunächst wurde Baumaterial beschafft und rings um die alte Kirche gelagert. 1682 wurde die alte Kirche nach Ostern abgerissen, am 23. Mai der Grundstein für die jetzige Kirche gelegt und schon am 1. Advent desselben Jahrs der erste Gottesdienst in der neuen Kirche gefeiert. Bauhandwerker aus Neuenfelde, Estebrügge, Buxtehude und Harburg arbeiteten gleichzeitig an der Errichtung des Rohbaus. Große Teile der Innenausstattung wurden zunächst aus der alten Kirche übernommen und in den folgenden Jahrzehnten bis 1731 durch neue Teile ersetzt. So präsentiert sich die Kirche heute als weitgehend einheitlich ausgestatteter hochbarocker Saalbau, der unter den barocken Innenräumen Norddeutschlands seinesgleichen sucht.

An der Ostseite beherrscht die Kanzel-Altarwand des Hamburger Bildschnitzers Christian Precht den Raum. Bei seiner Errichtung 1688 wurde dieser Kanzelaltar, der älteste Norddeutschlands, in der Umgebung als äußerst modern empfunden, denn Kanzelaltäre wurden an der Unterelbe erst etwa vier Jahrzehnte später üblich. Die Anregung zu dieser Gestaltung stammt möglicherweise von Arp Schnitger. Am Kanzelkorb sind Christus mit der Weltkugel und an seinen Seiten die vier Evangelisten zu erkennen: Matthäus mit Engel, Markus mit Löwe, Lukas mit Stier und Johannes mit Adler. Darunter die beiden wichtigsten Apostel und Briefeschreiber des Neuen Testaments: Petrus mit Schlüssel und Paulus mit Schwert. Nach den abgründigen Todesschrecken des Dreißigjährigen Krieges möchte dieser Altar - wie vielerorts der Kirchenbarock - möglichst viel vom Glanz Gottes und Jesu ewiger Lebendigkeit widerspiegeln.

Das 14 Meter breite hölzerne Tonnengewölbe wurde 1683 von den Hamburger Kirchenmalern H. Berichau und H. Chr. Wördenhoff unter Verwendung von italienischen Vorlagen ausgemalt. Über dem Altar zeigt das Deckengemälde Jesus als Weltenrichter im Jüngsten Gericht, von Engeln unterstützt, flankiert von Märtyrern, Propheten und Aposteln. Zu beiden Seiten schließen sich die Darstellungen des Paradieses und der Hölle an.

Das Zentraljoch der Kirchendecke betont in Wort und Bild den Erntesegen in Feld und Garten und nennt im Deckenscheitel auf einem Spruchband um die mittlere von insgesamt drei Sonnen das Motto dieser Kirche: »Wie Heilig ist diese Stette, hie ist nichts anders den Gottes hauß, vnd hie ist die Pforte des Himmels« (1. Mose 28,17). Auch die übrigen Deckenjoche sind ganz von kleinen und großen Engel bestimmt, die sich Bibelworten widmen, rund um die Orgel allerdings dem Gotteslob durch Kirchenmusik.

Aus dem gleichen Jahr wie die Deckenmalerei stammt der von drei Putten getragene Taufstein. Das Bodenrelief der Taufschale aus Messing stellt den Sündenfall dar, von dessen Folgen die Taufe befreit. Die hohe Bekrönung stammt noch aus der alten Kirche. Sie ist ein hochrangiges Schnitzwerk der Spätrenaissance, entstanden um 1620, im unteren Teil mit musizierenden Putten barock ergänzt. Vier Etagen aus unterschiedlich geformten Tempelchen bilden eine turmartige Architektur. An der Spitze steht, ähnlich wie am Kanzelkorb, der auferstandene Christus, der die Welt hält (»Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden; darum geht hin, macht zu Jüngern alle Völker, tauft sie …«), darunter in zwei Ebenen die zwölf Jünger.

Als Georg Clemens von Finkh, der Sohn des Kirchenerbauers, Pastor in Neuenfelde war, erwies sich die Kirche abermals als zu klein. So wurde das Gemeindegestühl in den Altarraum hinein erweitert: Im Norden die »Bunten Stühle« von 1729, genutzt von normalen Gemeindegliedern, wie die eingravierten Namen zeigen. Dieses Gestühl ist bekrönt von Allegorien der vier antiken Kardinaltugenden ›Besonnenheit‹, ›Tapferkeit‹, ›Weisheit‹ und ›Gerechtigkeit‹, sowie den christlichen Tugenden ›Glaube‹, ›Liebe‹, ›Hoffnung‹, hier ergänzt um die ›Geduld‹. Gegenüber entstand im Jahr darauf ein gedeckter, prächtiger Beichtstuhl (bekrönt von der ›Rechtgläubigkeit‹), bescheidener davor 1731 der Kirchenvorsteherstuhl, der noch heute als solcher genutzt wird.

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